Sechs Repertoireklassiker, die in der Saison 2023/24 in unseren Heinersdorff-Konzerten zu Gehör kommen.
Symphonie fantastique
Hector Berlioz war im Liebesrausch. In einer Aufführung von Shakespeares Hamlet am 11. September 1827 hatte der 23-Jährige die Schauspielerin Harriet Smithson als Ophelia gesehen und stand nun lichterloh in Flammen. Zwar blieben die Briefe (ebenso wie die Gefühle) des jungen Mannes unerwidert, doch davon ließ er sich nicht bremsen.
Stattdessen setzte er sich hin und goss seine Leidenschaft in Musik. Das Resultat: ein Werk, das ebenso wild und unkonventionell daherkommt wie sein Schöpfer selbst und den Grundstein für Berlioz’ Ruhm legen sollte – die Symphonie fantastique. In fünf Sätzen schildert diese „Fantastische Sinfonie“ das Seelenleben eines verliebten Künstlers zwischen Freude und Sehnen, Schmerz und Rausch. Heute gilt sie als eines der wichtigsten Werke der musikalischen Romantik: ein farbsprühendes Orchestergemälde, zusammengehalten von einem Leitmotiv, der „idée fixe“, musikalische Chiffre für die Angebetete. Fünf Jahre nach der legendären Hamlet-Aufführung hörte Harriet Smithson übrigens die Symphonie fantastique, verliebte sich nun ihrerseits in den Komponisten und heiratete ihn. Und auch wenn die Ehe nicht lange glücklich war, verdankt die Welt dieser Romanze doch eines der bemerkenswertesten Werke der klassischen Musik.
Kazuki Yamada | Alice Sara Ott
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„Jupiter-Sinfonie“
Göttervater, Blitzeschleuderer, Weltenherrscher: All das ist Jupiter, oberster Gott der alten Römer – und Namenspatron von Wolfgang Amadeus Mozarts letzter Sinfonie. Was aber hat der Österreicher Mozart, der klassischste aller klassischen Komponisten, um Himmels willen mit dem Oberhaupt der weitverzweigten altrömischen Göttersippe zu tun? Wohl vor allem eines: Die absolut unerreichbare Höhe. Diese Unerreichbarkeit der Mozart’schen Kunst noch einmal zu unterstreichen, war denn auch mit Sicherheit der Hintergedanke des klugen Konzertveranstalters Johann Peter Salomon, der Mozarts grandioser C-Dur-Sinfonie ihren Beinamen verpasste. Der Name blieb – und scheint bis heute angemessen, gilt doch die formvollendete „Jupiter-Sinfonie“ als Mozarts absolutes sinfonisches Meisterwerk.
Academy of St Martin in the Fields
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Sinfonie Nr. 1
Wohl kaum ein Werk ist in der Geschichte der Klassik so sehr herbeigesehnt worden wie die erste Sinfonie von Johannes Brahms. Doch ihre Vollendung ließ auf sich warten: Der ohnehin selbstkritische Komponist fühlte sich gewaltig unter Druck bei seiner Annäherung an die Gattung – insbesondere seit sein Mentor Robert Schumann ihn 1853 im Alter von gerade einmal 20 Jahren als legitimen Nachfolger des Sinfonie-Gottes Beethoven proklamiert hatte. In dieser Situation verwundert es nicht, dass Brahms alle frühen sinfonischen Entwürfe heftig anzweifelte und nicht wenige davon kurzerhand verbrannte. Und obwohl er mit seinen Klavier-, Vokal- und Orchesterwerken bald zu einem der erfolgreichsten Komponisten seiner Zeit aufstieg, vergingen beinahe 20 Jahre von den ersten Skizzen bis zur Uraufführung seiner ersten Sinfonie im Jahr 1876. Das Ergebnis dieses langen Prozesses allerdings kann sich hören lassen! Hans von Bülow bezeichnete das Werk als „10. Sinfonie“ Beethovens – ein Ritterschlag für den frisch gebackenen Sinfoniker Brahms, der seinem eindrucksvollen Erstling noch drei weitere Gattungsbeiträge folgen ließ.
Alan Gilbert | Igor Levit
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Sinfonie Nr. 2
Franz Schubert vollendete seine Sinfonie Nr. 2 im Jahr 1815, im zarten Alter von 18 Jahren. Die erste nennenswerte öffentliche Aufführung fand allerdings erst 49 Jahre nach seinem Tod statt: Der engagierte Musikforscher George Grove hatte sich um 1877 das Ziel gesetzt, alle Sinfonien Schuberts in London zur Aufführung zu bringen, und in diesem Zuge die Partitur der zweiten Sinfonie ans Tageslicht gebracht. Zwar ist die Nähe dieses Frühwerks zu Schuberts „klassischen“ Vorgängern Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart unverkennbar. Gleichzeitig jedoch zeugt die Sinfonie bereits von der erstaunlichen künstlerischen Reife ihres jungen Schöpfers. Und wer ganz genau hinhört, erkennt schon hier Anzeichen der sich ankündigenden Romantik und einige Harmoniewechsel, die sich später als „typisch Schubert“ etablieren sollten.
Omer Meir Wellber | Hilary Hahn
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Cellokonzert
Es beginnt ganz leise – eine Klarinette mit Streicherbegleitung – und entfaltet innerhalb kürzester Zeit eine ganze musikalische Welt voller Dramatik, Sehnsucht und Leidenschaft: das Cellokonzert von Antonín Dvořák. Johannes Brahms soll nach der Lektüre der Partitur ausgerufen haben: „Warum habe ich nicht gewusst, dass man ein Cellokonzert wie dieses schreiben kann? Hätte ich es gewusst, hätte ich schon vor langer Zeit eines geschrieben!“ Und er war mit seiner Meinung nicht allein: Nach der Uraufführung eroberte das Konzert mit seiner meisterhaften Mischung aus schwelgerischer Melodik, atemberaubender Virtuosität und üppigem Orchesterklang rasch die Bühnen der Welt und gehört bis heute ins Repertoire so ziemlich jedes Cellisten: ein echter „Klassiker der Klassik“ eben.
Gautier Capuçon | Petr Popelka
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Daphnis et Chloé, Suite Nr. 2
„Meine Absicht, als ich es schrieb, war, ein großes musikalisches Freskogemelde zu komponieren, weniger auf Archaik bedacht als auf Treue zu dem Griechenland meiner Träume“, so beschrieb Maurice Ravel die musikalische Grundidee zu seinem Ballett Daphnis et Chloé. Und das Griechenland seiner Träume muss wahrlich ein wundervoller Ort gewesen sein – so duftig, reich und farbenfroh kommt die Musik daher, die der Komponist in den Jahren 1909 bis 1912 erdachte. Ursprünglich war das Werk ein Auftrag des legendären Impresarios Sergej Diaghilew, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit seinen Ballets Russes das kulturbegeisterte Europa in einen wahren Tanzrausch versetzte. Doch Ravel schuf aus der Musik zu dem 1912 uraufgeführten Ballett auch zwei Orchestersuiten, von denen vor allem die zweite eine bis heute höchst erfolgreiche Karriere auf den Konzertbühnen macht. Und das zu Recht: Seit ihrer ersten Aufführung gilt die Musik zu der antiken Liebesgeschichte als das beste unter den Werken Ravels.
Orchestre Philharmonique de Radio France | Mikko Franck
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