Hintergründe
Von Barock bis Blockbuster

Die erstaunliche Vielfalt des britischen Orchesterlebens

Kirche St Martin in the Fields am Trafalgar Square in London

Auch große Männer behaupten fragwürdige Dinge: „The English may not like music, but they absolutely love the noise it makes“, schrieb der bedeutende britische Dirigent Sir Thomas Beecham einmal – was ihn nicht daran hinderte, ein Orchester nach dem anderen zu gründen und so zu dem überragenden Niveau beizutragen, das die heutige britische Orchesterlandschaft kennzeichnet. Selbst ein Berliner Konzertgänger wie der Autor dieser Zeilen muss neidlos anerkennen, dass es heute in keiner anderen Stadt der Welt derart viele Spitzenorchester gibt wie in London.

The English may not like music, but they absolutely love the noise it makes.
Sir Thomas Beecham

Eines dieser Spitzenorchester ist das 1932 – von Sir Thomas Beecham – gegründete London Philharmonic Orchestra, seit nunmehr gut 90 Jahren selbstverwaltet und quicklebendig auf der ganzen Welt unterwegs. Neben herausragenden Interpretationen klassischer Meisterwerke spielte das LPO die Musik zu zahlreichen Filmen ein, darunter Blockbuster wie Herr der Ringe oder Lawrence von Arabien: Kein Wunder, dass es heute das meistgestreamte Orchester der Welt ist. Am 9. November 2023 ist das LPO mit seinem Chefdirigenten Edward Gardner und Starpianistin Hélène Grimaud in Düsseldorf zu Gast. Auf dem Programm stehen Johannes Brahms’ erstes Klavierkonzert und Igor Strawinskys bilderreiches Ballett Petruschka.

November 2023
Donnerstag, 09. November 2023 | 20:00 Uhr | Tonhalle, Mendelssohn-Saal
London Philharmonic Orchestra

Edward Gardner | Hélène Grimaud

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Dass das britische Musikleben sich jedoch keineswegs auf die Hauptstadt beschränkt, beweist das City of Birmingham Symphony Orchestra (CBSO), das in den 1980er- und 1990er-Jahren unter Sir Simon Rattle zu Weltruhm aufstieg. Doch auch seine Nachfolger:innen Sakari Oramo, Andris Nelsons und Mirga Gražinytė-Tyla prägten das CBSO in den folgenden Jahrzehnten maßgeblich und festigten sein weltweites Renommee. Ab April 2023 übernimmt nun der Japaner Kazuki Yamada den begehrten Posten des Chefdirigenten in Birmingham – und stellt sich am 14. März 2024 dann auch in Düsseldorf vor. Vielfach gepriesen wurde Yamada unter anderem für seine hinreißenden Interpretationen des französischen Repertoires; folgerichtig hat er für sein Gastspiel Hector Berlioz’ klangrauschende Symphonie fantastique auf das Programm gesetzt. Ihm zur Seite steht in der ersten Konzerthälfte Alice Sara Ott als Solistin in Beethovens fulminantem dritten Klavierkonzert.

März 2024
Donnerstag, 14. März 2024 | 20:00 Uhr | Tonhalle, Mendelssohn-Saal
City of Birmingham Symphony Orchestra

Kazuki Yamada | Alice Sara Ott

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Nur einen Monat später, am 24. April 2024, wird das zweifellos berühmteste aller Londoner Orchester wieder an den Rhein kommen: das London Symphony Orchestra unter seinem frisch gebackenen Chefdirigenten Sir Antonio Pappano. Das LSO ist das älteste selbstständige britische Orchester, dessen Klang bereits jeder Teenager kennt (dank des Star Wars-Soundtracks nämlich), und das regelmäßig in die Top Ten der besten Orchester der Welt gewählt wird. Mit einem Programm von der hochtalentierten, früh verstorbenen Lili Boulanger über Samuel Barber und sein schwelgerisches Violinkonzert bis hin zu Sergej Rachmaninows tief romantischer zweiter Sinfonie stellt es eindrucksvoll unter Beweis, dass auch die kulturelle Doppelkatastrophe von Brexit und Corona-Pandemie ihm letztlich nichts anhaben konnte.

April 2024
Mittwoch, 24. April 2024 | 20:00 Uhr | Tonhalle, Mendelssohn-Saal
London Symphony Orchestra

Sir Antonio Pappano | Janine Jansen

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Immerhin ist ja die Tatsache, dass das Leben mit und für Musik hart erarbeitet werden muss, für britische Orchester nichts Neues. Denn ihre typische ästhetische Offenheit verdankt sich nicht nur einer sympathischen Unvoreingenommenheit, sondern auch harten ökonomischen Notwendigkeiten. Die staatliche Kulturförderung in Großbritannien ist viel geringer als in Deutschland, was schon immer ausgiebige Tourneen erforderlich machte. Fürs internationale Publikum ist das natürlich ein erfreulicher Aspekt, zudem moralisch erbaulich: Denn jeder einzelne Besucher wird so zum Mäzen des beeindruckenden britischen Musiklebens.

Die eifrigste Reisetätigkeit legt wohl von jeher ein Ensemble an den Tag, das eine bemerkenswerte Entstehungsgeschichte hat: 1958 begannen der junge Geiger Neville Marriner und zwölf Streicherkollegen, in einer schönen Barockkirche beim Trafalgar Square nach dem Abendgottesdienst Konzerte zu geben. Die mittlerweile weltberühmte Academy of St Martin in the Fields prägte nicht nur in den 1970er-Jahren unsere Vorstellung eines beschwingten, vitalen, völlig unbehäbigen Barockklangs (aber stets auf modernen Instrumenten), sondern spielte auch Soundtracks zu Filmen wie Amadeus oder Titanic ein. Gemeinsam mit der Pianistin Beatrice Rana präsentiert die Academy im Januar 2024 ein Programm, bei dem sich alles um Mozart und Mendelssohn dreht. Und dass mit Adam Fischer erstmals seit dem Tod von Academy-Gründer Marriner wieder ein Dirigent am Pult des Ensembles steht, zudem einer, der in Düsseldorf wahrlich kein Unbekannter ist, soll an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben.

Januar 2024
Samstag, 20. Januar 2024 | 20:00 Uhr | Tonhalle, Mendelssohn-Saal
Adam Fischer & Beatrice Rana

Academy of St Martin in the Fields

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Man kann sich in der Heinersdorff-Saison 2023/24 also auf so ziemlich alles freuen, was im britischen Orchesterleben Rang und Namen hat. Und es steht zu vermuten, dass selbst der kauzige Sir Thomas Beecham seine Freude an einem so eindrucksvollen Aufgebot von musik- (und geräusch-?)liebenden Engländer:innen gehabt hätte.